Komponist

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Mutter Erde – 大地之母) Symphonische Skizze einer taiwanischen Landschaft (2022)

«Mutter Erde» (大地之母) ist ein für das «OneSong Orchestra» 2022 entstandenes Auftragswerk. Es ist für grosses Symphonie-Orchester geschrieben und ist inspiriert durch die Natur Taiwans sowie auch durch Motive des Gesangs der Urbevölkerung. Im Folgenden etwas zum Hintergrund und zur Entstehung dieser Musik. Taiwan ist durch meine Frau zu meiner zweiten Heimat geworden. Seit vielen Jahren pendeln wir zwischen der Schweiz und Taiwan. Begegnungen mit Menschen, wie auch die immer wieder faszinierende Vielfalt der Landschaften und Kultur Taiwans und vor allem auch der Musik sind als Inspiration in einige meiner Werke der letzten Jahre eingeflossen. Allen voran natürlich die Musik für Cello und Orchester, die meine Frau, die Cellistin Pi-Chin Chien (簡碧青), mit dem Royal Philharmonic Orchestra und dem Dirigenten Wen-Pin Chien (簡文彬) auf dem Album «Taiwan Rhapsody» aufgenommen hat. Auch mein Schwiegervater, der Kunstmaler Tsang-Rong Chien (簡滄榕), wurde für mich eine wichtige Inspiration in meinem Leben. In seiner Malerei und seinen Kinderbuchillustrationen – besonders bekannt ist sein Kinderbuch «Yi-Gong-Gong» (姨公公) – versuchte er zeitlebens die Seele Taiwans einzufangen und künstlerisch auszudrücken. Sein Lebensthema, und damit auch das Thema seiner Bilder der letzten Jahre, war «Mutter Erde». In schwierigen Jahren sind einzigartige Kunstwerke entstanden, die die Kraft der Natur und Verbundenheit aller Lebewesen zum Ausdruck bringen möchten. Viele seiner Bilder umgeben uns in unserem Zuhause in der Schweiz – auch in meinem Arbeitszimmer – und so kam in mir schon länger der Wunsch auf, einmal zu versuchen, das Thema seiner Bilder in Musik zu transzendieren. Und so freute ich mich sehr über die Anfrage des OneSong Orchestra ein neues Orchesterwerk für das Neujahrskonzert 2023 zu schreiben. Denn es erschien mir der passende Moment, diesen Wunsch zu versuchen umzusetzen. Entstanden ist ein gross angelegtes Werk für Orchester mit dem Titel «Mutter Erde», in dem ich auf Wunsch des Orchesters auch fünf traditionelle chinesische Instrumente in die Orchestration einfügte, was die Klangfarben zusätzlich bereichert. Die Urkraft der Erde ist auf der vulkanischen Insel Taiwan deutlich spürbar. In den beeindruckenden Gebirgslandschaften, den zahlreichen dampfenden heissen Quellen aber auch den Erdbewegungen ist das grosse Atmen der Erde spürbar, und mein Stück sollte mit diesem grossen Atmen beginnen. Es kommt zum Ausdruck mit einem bedrohlichen, mehrmaligen Anschwellen zu einem gewaltigen Orchesterklang und anschliessendes Abschwellen. Dieses Atmen zu Beginn mündet in einen bewegten, unruhigen Klang in dem sich immer mehr melodische Themen zu zeigen beginnen. Zwei melodische Themen setzten sich als Hauptthemen durch und werden im ganzen Werk präsent bleiben, einmal in intimem kammermusikalischen Charakter, einmal in grossem Orchesterklang. Dazwischen erklingen immer wieder typische Motive, die an den Gesang von Liedern der Urbevölkerung erinnern. Dieser lyrische erste Teil verklingt schliesslich ruhig im Urgrund der Tiefe der Kontrabässe und mündet dann in einen bewegteren zweiten Teil. Im Zentrum des Stücks erinnert die Musik wieder an das Atmen der Erde. Nun ist es jedoch eher ein Seufzen, abgelöst von dramatischer, schneller Musik. Es ist wie das Aufschwingen in die höchsten Höhen des Himmels. Bei der darauf folgenden Musik über einer pulsierenden Begleitung habe ich mir tatsächlich vorgestellt wie ein Vogel in vollkommener Freiheit getragen vom Wind über die fantastischen Berge Taiwans zu fliegen. Es muss ein überwältigendes Erlebnis sein, und und es ist mein Versuch dies mit Musik auszudrücken. Am Ende dieser grandiosen Vogelschau mündet die Musik in ein ruhiges Hornsolo mit einem musikalischen Motiv, dem ich in den Liedern des Stammes der Bunun (布農族) begegnet bin. Es folgt ein bewegter, fast tänzerischer Teil, der schliesslich in einem gewaltigen Orchesterrauschen kulminiert – ähnlich dem Atmen der Erde zu Beginn. Über diesem Orchesterklang hört man das ohrenbetäubende Zirpen der Zikaden, das in den Wäldern Taiwans omnipräsent ist. Für mich ein Geräusch, das untrennbar mit Taiwan verbunden ist. Es erscheint mir immer wieder erstaunlich, wie so kleine Tierchen ein so lautes Geräusch verursachen können. Das Zirpen verklingt schließlich, und lässt einen ruhigen Epilog folgen. Ein kurzes, rasanten Vivace lässt dann diese Reise durch meine inneren Bilder von Taiwan enden.

Info

Auftragswerk des One Song Orchestra

Satzbezeichnungen

In one movement

Besetzung

2 Flöten, 2 Oboen, 2 Klarinetten in B, 2 Fagotte
4 Hörner in F, 2 Trompeten in C, 2 Tenor-Posaunen, 1 Baß-Posaune, 1 Tuba
Pauken, Perkussion (3 Spieler)
Harfe
Violine 1, Violine 2, Viola, Violoncello, Kontrabass
zusätzlich: 1 Chinesische Flöte, 1 Erhu, 1 Sheng, 1 Yangqin, 1 Pipa

Aufführungsdauer

ca. 12 Minuten

Noten

Leihmaterial

JEC EFM105-LM

Konzerte

1. Januar 2023 | 1400 Uhr - Taiwan, National Concert Hall Taipei

Neujahrskonzert – Uraufführung

One Song Orchestra (灣聲樂團), Leitung: Lee Che-yi (李哲藝)